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Ein Geist zu sinnen und ein Herz zu lieben. – Rudolf Hagelstange
Dienstag, 30. Dezember 2025, 14:03 Uhr
Rudolf Hagelstange 1947 (Foto: Heidelore Kneffel)
Nordhausen (psv) Seit 1992 trägt die Stadtbibliothek den Namen Rudolf Hagelstange. Anlässlich des Geburtstages des Schriftstellers am 14. Januar 1912 erinnert das Lesecafé in jedem Jahr im Monat Januar an eine Facette seines reichen Schaffens.
Am Mittwoch, dem 7. Januar 2026, stellt Heidelore Kneffel den Namensgeber der Stadtbibliothek zum Lesecafé mit einer Auswahl seiner Gedichte aus mehreren Lebensetappen vor. Mit folgendem Text führt Frau Kneffel in die Thematik ein:
Am Mittwoch, dem 7. Januar um 16.00 Uhr, eröffnet sich auch im neuen Jahr 2026 das 1. Lesecafé in der Stadtbibliothek mit Erinnerungen an den Schriftsteller, Dichter, Essayist aus Nordhausen am Harz, Rudolf Hagelstange, am 14. Januar 1912 dort geboren. Von dem Nordhäuser Jörg-Michael Junker, einem Schüler von mir und bemerkenswertem Kenner von Historie, erfuhr ich, dass am 16.11.1989 der damalige Außenminister der BRD, Hans-Dieter Genscher, anlässlich der Ereignisse in der DDR und drum herum den Dichter Rudolf Hagelstange im Bundestag mit einigen Versen aus dessen berühmten Sonettenkranz Venezianischen Credo zitierte: Ich habe lange, lange Zeit wie ein Stein geschwiegen und mehr noch als ein Stein …. Diese Zeilen erklangen auch 1946 in Nordhausen und bald in zahlreichen anderen deutsche Orten. Ich komme am 07.01.2026 in der Stadtbibliothek darauf zurück.
Hagelstange bekannte auch, dass für ihn Wasser und Musik Lebenselexiere seien. Seine erste Faltbootreise führte ihn als Jugendlichen donauabwärts bis zum Ägäischen Meer. Herrlich tönt das Lied der Flüsse! Auf Kreta verbrachte er ein halbes Jahr. Seitdem war neben dem Harz die Ägäis sein Wurzelgrund. Zur Wehrmacht einberufen, war er Kriegsberichterstatter in Frankreich, dann in Italien. Dort verfasste er gegen Ende des 2. Weltkriegers die 35 Sonette des Venezianisches Credo, ein literarischer Paukenschlag der Nachkriegszeit, denn darin stellte er sich mehrfach die Frage, die schon der mittelalterliche Dichter Walter von der Vogelweide angesichts schwerwiegender Lebensumstände gestellt hatte – wie man in der Welt leben sollte?!
Hagelstanges Sonette erschienen kurz vor Kriegsende in Italien bei dem berühmten Drucker und Verleger Hans (Giovanni) Mardersteig – noch illegal! Sein Weg aus amerikanischer Gefangenschaft führte ihn im Frühherbst 1945 ins zerbombte Nordhausen zu seiner dreiköpfigen Familie. In Wiesbaden erschien das Credo 1946, erregte Aufsehen, bald folgte der Druck in Leipzig. Er las daraus auch in Nordhausen.1948, mit seiner sich vergrößernden Familie am Bodensee lebend, entsteht die Dichtung Meersburger Elegie. Sie huldigt Annette von Droste-Hülshoff, deren Dichtung für ihn nach wie vor modern ist.
Das Bändchen ist auch eine Hommage an seine Geburtsstadt. In beiden Orten, gleichfalls auf Hügeln erbaut, war für ihn der Sänger und Dichter Orpheus zu Hause, sein Vorbild. Und in N. hatte er, dank bebendem Bambus, die ersten Flüge gen Himmel gewagt. Vorwiegend aus diesen beiden Bänden trage ich vor, weil sie auch aktuelle Fragestellungen in Gedichten formulieren. Er war ein großer Reisender. Seine zahlreichen Werke erschienen in hoher Auflage in der Bundesrepublik, in der DDR war er verboten, vor allem wegen seiner Kritik an der aktuellen Politik in der Sowjetunion. Sein Bekanntenkreis an Literaten, bildenden Künstlern, Musikern, Tänzern, Politikern war bemerkenswert. In dem Band Menschen und Gesichter setzte er ihnen ein einfühlsames Denkmal.
Hagelstange starb mit 72 Jahren. Heinrich Böll nannte ihn einen Poeten und Demokraten. Anlässlich seines 100. Geburtstages gab Nordhausen auch Ein Lesebuch über ihn heraus, darin auch Gedichte. Eines davon kann man auf dem Pfad der Poesie lesen, dass Frau Jursa in Holz schnitzte, worin er festgehalten hat, was seiner Meinung nach für einen Menschen lebenswert ist: Manchmal ist ein Vogellaut /oder eines Blattes sinken /wie ein Seufzer und das Blinken /eines Sternes, traumbetaut, /wie ein Auge … Auch in diesem Sinne gehen Sie ins Jahr 2026. (Heidelore Kneffel)
Die Veranstaltung im Lesesaal der Stadtbibliothek Nordhausen beginnt um 16.00 Uhr und ist kostenfrei.