Infektiöse Krankheiten und Impfen in der Stadt Nordhausen

Roland am Rathaus (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen) Roland am Rathaus (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen)

Impfen oder nicht – ein jahrhundertealtes Thema auch in Nordhausen

Mit Ausbruch der ersten Corona-Pandemie und dem ersten verhängten Lockdown im April 2020, befasste sich das Nordhäuser Stadtarchiv mit der „Geschichte des Ausbruchs infektiöser Krankheiten in der Stadt Nordhausen“
Derzeit bewegt das Thema „Impfen oder nicht?“ buchstäblich viele Menschen, zumal wenn es um Impfungen an Kindern geht. Die Stadt Nordhausen ist dabei thüringen- und deutschlandweit keine Ausnahme – und war es auch vor 200 oder 100 Jahren nicht, denn die Geschichte des Impfens ist auch eine Retrospektive der Impfskepsis, von Impfmythen und von Verschwörungstheorien.

Seuchen, Epidemien, lokale oder staatenweite Ausbrüche ansteckender Krankheiten hatte es seit Menschengedenken immer gegeben. Die Antworten darauf waren immer auch ein Gradmesser der medizinischen Entwicklung. Mit der Entwicklung der Impfungen gegen die „Plagen der Menschheit“ hatte dieselbe nun sprichwörtlich einen „Game-Changer“ in der Hand und musste gleichzeitig Vorurteile gegen deren Einsatz entkräften. Zu jeder Zeit stand man vor der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung um eine „Impfpflicht“ für vulnerable Gruppen (Menschengruppen mit erhöhtem Krankheitsrisiko oder nur Impflicht), deren Organisation und Kontrolle. Das Stadtarchiv Nordhausen befasste sich im Detail mit zwei Zeitpunkten des 19. Jahrhunderts.:

Teil I Kinder mit Kuhpocken anstecken, um „Kinderblattern“ zu verhüten?

Quelle 1 Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, (Foto: Stadtarchiv) Quelle 1 Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, (Foto: Stadtarchiv) Auch in Nordhausen stritt man schon vor über 200 Jahren um die Frage, ob man Kinder lieber mit Kuhpocken anstecken sollte, um den Ausbruch der Kinderblattern, heute Windpocken genannt, zu verhindern: Um 1800 etwa diskutierte man, mit welchem Mittel man den periodisch auftretenden Kinderblattern,„eine der schrecklichsten Plagen der Menschheit“, begegnen könne. Denn wie der damalige Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, feststellte, „die Kinderblattern herrschen gegenwärtig in unserer Nachbarschaft epidemisch, und selbst in unserer Stadt sind schon einzelne von dieser Krankheit befallen und ein Opfer derselben geworden.“

Als Gegenmittel gegen die Kinderblattern hatte man seit 1798 in England die Kuhpocken entdeckt, die als vergleichsweise harmlos zu überstehende Viehkrankheit damit infizierte Menschen vor den, dem Menschen so gefährlichen Pocken (Blattern)* bewahren sollten. Beobachtungen in England hatten diese Wirkungskette als mutmaßlich sicheren Schutz ergeben. Dabei wusste man noch gar nichts von Viren oder Bakterien etc., die erst im 19. Jahrhundert entdeckt werden sollten.
Quelle 2 Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, (Foto: Stadtarchiv) Quelle 2 Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, (Foto: Stadtarchiv)




Der Stadtarzt aus alter Nordhäuser Familie sah sich nun „in dem Falle, wo uns ein (zugegeben unappetitliches und nicht 100% beweisbares) Mittel, welches uns vor dieser verheerenden Seuche sicherstellt, oder wenigstens die unausbleiblichen schlimmsten Folgen derselben verhindert, als eine Wohltat des Himmels erscheinen muß.“ Nichtsdestotrotz wog Dr. Filter sorgfältig für seine Leser die Pro- und Contra-Argumente für eine vorsätzliche Infektion – d.h. Impfung - mit Kuhpockenerregern zum Schutz vor jenen Blattern ab und schloss bedächtig: „Doch ich will durch solche Fragen dem Urteile des Publikums nicht vorgreifen. Prüfe ein jeder selbst die vorgeführten Gründe mit reiflicher Überlegung, und beantworte sich dann mit festem Entschluss die Frage: Soll ich meinem Kinde die Kuhpocken einimpfen lassen?“
Quelle 3 Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, (Foto: Stadtarchiv) Quelle 3 Stadtarzt Dr. med. Franz Ernst Filter (1768-1807) im „Nordhäuser Wöchentlichen Nachrichts-Blatt“, Jg. 1801, (Foto: Stadtarchiv)





Amtlich entschied sich schließlich auch die Stadtregierung auf Rat Dr. Filters für jene Impfung – und führte sie in Nordhausen ein. Wie die Stadtchronik berichtet, wurden daher bereits im Februar 1810 die Gewerbe angewiesen, alle drei Monate zu kontrollieren, ob neu eingestellte Lehrlinge eine Schutzimpfung gegen die „Kinderblattern“ nachweisen könnten. Am 30.07.1812 erhielten die Ärzte der Stadt vom kgl. westphälischen Unterpräfekten die Aufforderung, die Kinder der armen Leute unentgeltlich gegen jene Blattern zu impfen.
Interessant dabei, daß während des damaligen europaweiten Krieges offenbar englische Erfahrung und französische Verwaltung in Nordhausen heilsam zugunsten der Stadtbevölkerung zusammenwirkten?! Seither hörten immerhin die „Kinderblattern“ auf, Plage der Menschheit zu sein.

*Die Windpocken sind noch zu unterscheiden von den eigentlichen Pocken (Variola), der weitaus gefährlicheren Infektionskrankheit, die von Viren der Gattung Orthopoxvirus verursacht wird. Im 18./19. Jh. scheint man aber mangels Hintergrundwissen noch beide offenbar unterschiedslos als „Kindsblattern“ benannt zu haben.

Teil II: Naturgemäße Lebensweise statt Wissenschaftsglaube. Ludwig Belitskis Streitschrift gegen den Impfzwang 1869

Naturgemäße Lebensweise statt Wissenschaftsglaube. Ludwig Belitskis Streitschrift gegen den Impfzwang 1869


Mochte Dr. Fr. E. Filter die Pockenschutzimpfung bereits in Nordhausen eingeführt haben, man kam über dem Thema nicht so schnell zur Ruhe. Mitte der 1860er Jahre schwoll im ganzen deutschsprachigen Mitteleuropa die Diskussion für oder gegen eine Impfpflicht gegen Pocken an.

Streitschrift 1 (Foto: Stadtarchiv) Streitschrift 1 (Foto: Stadtarchiv) Die Stadt Nordhausen wurde noch 1871 von einer Pocken-Epidemie heimgesucht, es starben 49 Erwachsene und 89 Kinder d.h. 18 % der Erkrankten, jedoch kein mit Erfolg geimpftes Kind (Hörner, L., a.a.O. S. 95). 1874 wurde dann nach heftigen Diskussionen im Deutschen Reichstag mehrheitlich eine landesweite staatliche Impfpflicht gegen Pocken beschlossen. Denn sich tatsächlich mit den echten Pocken anstecken wollte natürlich keiner, wenngleich Zweifel und Bedenken blieben.

Impfschein (Foto: Stadtarchiv) Impfschein (Foto: Stadtarchiv) Auch heute gibt es noch kein Allheilmittel gegen Pocken. Nur vorbeugende Impfungen und strenge Isolation helfen. Jene Krankheit, gegen deren systematische Immunisierung durch Impfung sich damals der Streit richtete, wurde bis heute (fast) ausgerottet. Maßgeblich waren dafür internationale Kampagnen und nationale Impfverordnungen, seit 1967 abgestimmt durch die Weltgesundheits-Organisation. 1980 erklärte diese die Pockengefahr für beseitigt, woraufhin auch in der DDR 1982 diese Impfpflicht aufgehoben wurde.

Doch 1869 war für Ludwig Belitski in Nordhausen, einen weltläufig erfahrenen Fotografen, ein Scheidepunkt erreicht. Der aus dem niederschlesischen Liegnitz stammende Mann war 1862 nach Nordhausen gekommen und engagierte sich in der Stadt bald im Umkreis der „Freireligiösen Gemeinde“ Eduard Baltzers und seiner Mitstreiter für offene „Männerbildung“, zwangfreien moralisch-sozialhygienischen Lebenswandel und vegetarische Ernährung. „Natürliche Lebensweise“ im Sinne Baltzers wurde auch für Belitski zu einer prägenden Lebensaufgabe. In der Auseinandersetzung um deren Verbreitung wurden freilich rasch auch Überspitzungen unvermeidlich.

Wurde fleischloses Essen von den einen als Humbug verspottet und für jeden Husten ein Medikament gefordert, so erklärte Belitski sich 1869 anlässlich der Konstituierung eines „deutschen Vegetarier-Vereins“ in Nordhausen „entschieden gegen jede äußerlich oder innerlich anzuwendende Medizin. Er setzte auseinander, dass jede Arznei vor allen Dingen dem Instinkt zuwider sei, dass niemand im Stande sei, allen Wirkungen der verschiedenen Gifte im lebendigen Organismus nachzukommen, dass überhaupt beim Medizinverschreiben nach keinem Naturgesetze verfahren werden könne, sondern alles auf Empirie beruhe, und also erst so und so viele vergiftet würden, um nur die ungefähren Wirkungen der Medikamente kennen zu lernen“. (Hörner, L., L. Belitski, Marburg/L. 1992, S. 94).

Streitschrift Belitski 1869 (Foto: Stadtarchiv) Streitschrift Belitski 1869 (Foto: Stadtarchiv) Solch radikaler Standpunkt verblüffte damals wie heute, denn natürlich waren Medizin 2022 und 1869 oder 1751 auch noch ziemlich verschiedene Dinge. Und Ludwig Belitski, der sich im späten 19. Jahrhundert zu einem der renommiertesten Nordhäuser Fotografen profilierte, wusste aus leidvoller Erfahrung, wovon er sprach: Seine Gesundheit litt langfristig durch den vielen Kontakt mit fotochemischen Substanzen, weshalb er häufig – und oft erfolglos - Ärzte aufsuchen musste. Mehr noch, sein kleiner und bisher gesunder Sohn war auf Empfehlung des Hausarztes mit dem inzwischen üblichen Kuhpocken-Serum gegen Pocken geimpft worden, entwickelte aber nach der Impfung Ausschläge und Entzündungen und blieb schließlich behindert. Viele andere mit ihm geimpfte Kinder starben; wie später aufgeklärt wurde, an mangelnder Sauberkeit bei der Herstellung des Impfstoffes.

Durch den persönlichen Schicksalsschlag bestärkt, engagierte sich Belitski nunmehr jahrelang sehr persönlich, mit Geld, Zeit und schließlich auch publizistisch mit einer regelrechten Kampfschrift „Gegen Impfung und Impfzwang“ (1869 Nordhausen bei Ferdinand Förstemann erschienen). Später thematisierte er auch die Gefahren des damals allgegenwärtigen Tabakrauchens und die Bedeutung der Luftreinheit in Schulen und Wohnungen im Sinne „naturgemäßer Lebensweise“.

Belitski sparte beim Thema Impfen nicht an scharfen Sätzen, denen man die persönliche Betroffenheit anmerkt. Zugleich erinnert seine Kritik aber sämtlich – rasch aus den ersten Seiten herausgegriffen - an Standpunkte und Überzeugungen, die heute nach wie vor aktuell sind. Wir finden sie in Diskussionen zur „Klimawende“, zu den Aussichten industriellen Wachstums, aber auch jeden Tag in der Werbung, in zahllosen Lebensstilen und Geschäftsideen, in Aussteigerkonzepten- oder dem heutigen gesundheitspolitischen Streit um die Bekämpfung von SARS-CoV-2:
  • Schulmedizin und Naturheilkunde stünden zueinander wie Bücherweisheit und Lebenserfahrung: „Die orthodoxen Mediziner und Impfer wollen in Bezug auf Ihre für Wissenschaft ausgegebene Aktenweisheit von einer philosophischen Natur Betrachtung nichts wissen, denn solche ist Ihnen folgeweise zum Teil verloren gegangen; sie sprechen von Erfahrung und wollen allein durch diese alles beweisen.“ (S. 1).
  • Statistik sei wichtig, doch Zahlen seien oft je nach Maßstab und Fragehorizont sehr verschieden interpretierbar. Blicke man genauer hin, zeige sich, „dass jene Zahlen nicht nur nicht für, sondern zum Teil gegen die Vakzination sprechen, was aber die Impfer in Ihrer Verblendung nicht merken oder merken wollen.“ (S. 2)
  • Was sind erträgliche Nebenwirkungen, was bewirkt der Impfstoff wirklich? Das sei abhängig von Studien, Vergleichsfällen, Berechnungen, aber keineswegs immer identisch mit dem persönlichen Erleben. „Ich habe mit sehr vielen Leuten aus allen Bevölkerungsgruppen, welche noch nie ein Antiimpfbuch in den Händen gehabt hatten, gesprochen und die aus eigener Erfahrung hervorgegangener Entgegnungen, Anklagen, Misstrauensäußerungen und Schmerzensworte über die Impfung mit angehört, dass dieselbe nicht schütze, krank und elend mache und nicht selten töte.“ (S. 2)
  • Der Mensch könne viel erreichen, aber die Natur wirklich beherrschen könne er nicht. Manches müsse man hinnehmen lernen, denn die Natur sei letztlich stärker. „Es erscheint als ein törichtes Unternehmen, durch so kleinliche Mittel wie die Impfung es ist, Naturgesetze abändern und Epidemien hemmen zu wollen, es ist eine maßlose Überschätzung menschlichen Könnens und Wissens.“
  • Impfstoffentwicklung sei ein weites Feld, Impfstoffherstellung gebe Anlass zu Fragen und Verdacht. Wie könnte Krankheitsstoff gegen Krankheit wie z.B. bei der Kuhpockenimpfung gegen Kindsblattern wirken, wenn man sich „der künstlichen Einimpfung eines ekelhaften Giftstoffes, den man aus Eiterbeulen eines kranken Tieres nimmt“ bedient? (S.3)
  • Entscheidungen für Impfzwang gründeten sich häufig auf Szenarien und Informationen, die propagandistisch übertrieben werden können, um den Zwang durchzusetzen, s. z.B. mit „der Beschreibung einer Anzahl fürchterlicher Pockenepidemien aus früheren Jahrhunderten, wobei so und so viele Tausende oder Hunderttausende gestorben sein sollen. Ich sage ‚sollen‘, denn zuverlässig sind solche Angaben nicht und können leicht übertrieben sein. Wie überhaupt die Impffreunde eine Befriedigung darin sehen, frühere Pockenseuchen und Epidemien recht grausig zu schildern.“ (S.7)
  • Nicht Irrglaube an unbedingte Rettung durch Medikamente oder pseudomedizinischer Aberglaube allein an Wissenschaft, sondern Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Natur und ‚richtiges‘ Leben sei nötig: „Ein einfaches, mäßiges, nicht ausschweifendes Leben gewährt nicht nur gegen die Pocken, sondern gegen viele Krankheiten den besten Schutz.“ (S. 9)

Der Ausbruch infektiöser Krankheiten in der Stadt Nordhausen

Das Stadtarchiv der Stadt Nordhausen hat die angeordneten Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung des Virus SARS – CoV-2 und die aktuelle Situation zum Anlass genommen, die Ausbrüche von Infektionskrankheiten in der Stadt Nordhausen - seit der frühen Neuzeit bis heute - in einer kurze Retrospektive aufzuarbeiten.

Bürgermeister Fromann (Foto: Stadtarchiv) Bürgermeister Fromann (Foto: Stadtarchiv)

Letzte Pestepidemie von 1681 bis 1683
Seit dem Bestehen der Stadt Nordhausen kam es immer wieder zum Ausbruch der unterschiedlichsten Seuchen und Krankheiten. In der Erinnerung haben sich die wenigsten dieser immer wieder auftretenden Epidemien erhalten. Die „populärste“ Seuche ist immer noch die Pest, auch sie suchte nachweislich Nordhausen heim. Wobei jede sich zu damaliger Zeit ausbreitende Seuche als Pest oder Pestilenz bezeichnet wurde, dabei handelte es sich nicht immer um den gefürchteten „Schwarzen Tod“, den Erreger Yersinia pestis.

Als 1681 bis 1683 ein letztes Mal die Pest in Nordhausen ausbrach, war die Stadt durch ihren Bürgermeister und Stadtarzt Conrad Fromann und mit Blick auf die seinerzeit zur Verfügung stehenden Mittel, gewappnet. Fromann erließ eine umfassende Infektions- und Pestordnung. Die Verordnung regelte den Umgang mit Infizierten und deren Aufenthalt in der Quarantäne. Daneben enthielt sie Anweisungen für Chirurgen, Apotheker, Pflegende, Kranken- und Leichenträger sowie Totengräber. Dies half, die Seuche einzudämmen. Trotzdem starben laut Stadtarchiv 3.509 Bürger der Stadt Nordhausen.

Ausbruch der Diphterie im Oktober 1938
Als nächstes Beispiel dient der Ausbruch der Diphterie im Oktober 1938. Hierbei kam es zu 156 Erkrankungen und 4 Todesfällen, vornehmlich unter Kindern. Auf Anweisung des staatlichen Gesundheitsamtes und umgesetzt durch den Oberbürgermeister Johannes Meister wurden vom 17. Dezember 1938 bis 6. Januar 1939 sämtliche Schulen der Stadt geschlossen und Veranstaltungen mit Kindern untersagt. Zum Jahresende 1938 normalisierte sich die Lage und die Krankheit flaute ab. Durch staatliche Anordnung war es verboten von einer Epidemie zu sprechen.

Die zuständigen Behörden erließen auch im Vorfeld von Erkrankungen schon Anordnungen um den Ausbruch typischer Infektionskrankheiten zu vermeiden. So gab es 1944 den Erlass zur Bekämpfung von Fliegen, da diese wesentlich zur Verbreitung von Ruhr und Typhus beitrugen. Auch auf die allgemeine Hygiene im Stadtbild wurde geachtet, so durften Abfälle und Abwasser nicht dem Mühlgraben zugeführt werden. Ende 1942 und durch das Jahr 1943 wurde dann schon vorsorglich gegen Diphterie geimpft. Dies geschah auf Anraten des zuständigen Amtsarztes (zu diesem Zeitpunkt war das Gesundheitsamt nicht städtisch). Hierfür besorgte die Stadt das notwendige Material wie Kanülen für Spritzen, Watte und das Material für Plakatanschläge, um die Bevölkerung ausreichend über die bevorstehenden Impfungen zu informieren. Aus der Archivquelle ist noch ersichtlich, das der Oberbürgermeister infizierte Personen, die sich nicht an die Quarantäne hielten, arretieren ließ. Ebenso sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Keuchhusten dokumentiert.

Typhusausbruch von 1945
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist von Mai bis Dezember 1945 ein Typhusausbruch dokumentiert. Es erkrankten allein im Stadtgebiet 495 Menschen. Daneben kam es zu Ausbrüchen der Diphterie und der Ruhr mit zusammen 104 nachweislich infizierten Personen. Durch den gezielten Einsatz des städtischen Gesundheitsamtes und der Nordhäuser Ärzteschaft, konnte der Ausbruch schnell eingedämmt werden. Eine Opferzahl konnte nicht ermittelt werden. Im Stadtgebiet wurde die Impfung von 23.200 Bürger dokumentiert.

Auswirkungen der drei großen Grippeepidemien im 20. Jahrhundert
Die Grippe hat im 20. Jahrhundert drei größere Epidemien verursacht. An der Spanischen Grippe erkrankte von 1918 bis 1920 ein großer Teil der Weltbevölkerung. Nach Schätzungen fielen mindestens 50 Millionen Menschen der Krankheit zum Opfer (Quelle: Nationaler Pandemieplan - Teil II, Robert-Koch-Institut, 4. April 2016). Zwischen 1957 und 1958 sowie 1968 und 1969 grassierten die Asiatische Grippe sowie die Hong-Kong-Grippe. Auch hier starben weltweit viele tausende Menschen.

Spanische Grippe 1918 bis 1920
Worüber sich bisher nichts in den städtischen Unterlagen finden lässt, ist die Spanische Grippe von 1918 bis 1920. Obwohl die bisher größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte, und gerade einmal 100 Jahre her, hat sie die wenigsten „Spuren“ in den Aufzeichnungen hinterlassen. Einzig ein Vergleich der Personenstandsregister „To“ lässt einen Einblick zu. Wobei die Kriegsjahre 1914 bis 1918 sich schlecht zum Vergleich eignen.
JahrVerstorbene (Personenstandsregister To)
1912521
1913536
1918861
1919602
1920586
1921517
1922512


Ob in Nordhausen überhaupt etwas gegen die Spanische Grippe unternommen wurde ist aus den Akten des Stadtarchivs nicht feststellbar.

Grippeepidemien der 1950er und 1960er Jahre
Zu den Grippeepidemien gibt es ebenfalls kaum bis keine Informationen in den Unterlagen des Nordhäuser Stadtarchivs. Lediglich in einem Monatsbericht aus dem Jahr 1957 werden zwei Erkrankungen erwähnt. Ein Anstieg der Todesfälle für die betreffenden Jahre lässt sich anhand der Personenstandseinträge To auch nicht beobachten. So weisen die Grippejahre 1957/58 keine höheren Zahlen an Verstorbenen bei ca. 40.000 Einwohnern aus.
JahrVerstorbene (Personenstandsregister To)
1957497
1958504
[…] […]
1967518
1968564
1969570
1970588
1971534
1972583



Aus den Sterbeeinträgen von 1968 bis 1970 lässt sich eine Erhöhung in den Jahren 1969 und 1970, bei einer Einwohnerzahl von 42.000 Einwohnern, ablesen. Ob sich dieser Wert aufgrund einer Grippeepidemie erklären lässt, ist zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativ, da auch 1972 ein Anstieg zum Vorjahr abzulesen ist.
In den Zeitungsbeständen der Zeitung „Das Volk“ vom Dezember 1969 bis Januar 1970 beruhen die Berichterstattungen der DDR im Großen und Ganzen auf den Erfolgen bei der „Bekämpfung“ des Winters, der in diesen Jahren ungewöhnlich streng war. Die Grippe liegt - so die Presserückschau - ihren Ausbreitungsschwerpunkt auf das kapitalistische Ausland.

Quellen:
  • Infektions- und Pestordnung 12.3./ II A 369
  • Diphterie Erkrankung 1.4./ X 207
  • Typhusausbruch 1.5./ S 191
  • Zeitung „Das Volk“ vom Dezember 1969 bis Januar 1970

Informationsseite zur Impfung gegen SARS-CoV-2 in Thüringen

Auf der Seite www.impfen-thueringen.de können Sie Ihren Impftermin in einer Impfstelle oder einer teilnehmenden Arztpraxis in Thüringen buchen und verwalten. Desweiteren finden Sie Informationen zu Sonderimpfaktionen und weiteren Impfangeboten - auch durch mobile Impfteams.
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