Nordhausen im Wiederaufbau (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen)
Forschungsprojekt "Nordhausen 1945: Hintergründe, Opfer, Erinnerung
Hintergrund der wissenschaftlichen Studie
- Die Luftangriffe im April 1945 haben das Erscheinungsbild der über tausendjährigen Stadt massiv verändert.
- Tausende BürgerInnen, Flüchtlinge, ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge verloren an diesen zwei Tagen und in der Folge ihr Leben, Angehörige, Haus, Hab und Gut, viele erlitten schwere gesundheitliche Schäden.
- Das historisch gewachsene Gesicht der frühneuzeitlichen Altstadt mit Kirchen, Klöstern, Schulen, Denkmälern, Amts- und markanten Privatgebäuden wurde unwiderruflich zerstört.
- Um die Hintergründe der Bombardierung, ihre Motive, direkten Auswirkungen, Todeszahlen und das angemessene Gedenken daran hat es seit 1945 immer wieder verschiedene Deutungen, Zahlen, Diskussionen gegeben.
- Nach dem Krieg hat die zentrale Stadtplanung, die Mitte der Stadt völlig neu strukturiert.
- Die alten Straßenzüge sind verschwunden, die frühere Anpassung der Bebauung an die Landschaft der Stadtfläche ist durch Planierung und Beseitigung (z. B. Lesserstiege, Bahnhofstraße, Vor dem Vogel, Rautenstraße, Kornmarkt, Töpferstraße usw.) teilweise nicht mehr erkennbar.
- Der Verlusterfahrung von 1945 prägt bis heute jeden historischen, zumal geschichtspolitischen Diskurs in der Stadt.
Die drei Perspektiven der wissenschaftlichen Studie
1. Perspektive: Hintergünde
Die Studie soll die Ziele, Abläufe und die Formen der Luftangriffe der RAF im Rahmen des Luftkrieges auf Nordhausen des 3. und 4. Aprils 1945 rekonstruieren, analysieren und darstellen.
2. Perspektive: Opfer
Die Studie soll auf Grundlage aller benutzbaren und personenbezogen auswertbaren Archivalien eine statistisch-geographische Analyse der Bergung, Registrierung und Bestattung der Luftkriegstoten in Nordhausen unter Berücksichtigung der KZ-Häftlinge des KZ Mittelbau-Dora vorlegen. Dabei soll ein zuverlässiger Forschungsstand zur Zahl der Luftkriegstoten erarbeitet werden. Die Ergebnisse sind unter besonderer Berücksichtigung der in jüngeren Forschungen zu mitteldeutschen Städten erbrachten zu bewerten.
3. Perspektive: Erinnerung
Formen, Ziele, Streitthemen und Meinungsführer des persönlichen wie politischen Gedenkens an die Luftangriffe nach 1945 sollen kritisch untersucht und dargestellt werden. Dabei sollen sowohl die staatlichen/städtischen Instanzen in SBZ und DDR, die Protagonisten der Heimatortsgemeinschaft der ehemaligen Nordhäuser, als auch Interessen der Weltkriegsalliierten im Zentrum stehen.
Wissenschaftlicher Beirat
Am 20.06.2019 konstituierte sich der vom Oberbürgermeister berufene wissenschaftliche Beirat. Ihm gehören folgende renommierte und im Themenfeld einschlägig tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an:
- Prof. em. Dr. Claus Füllberg-Stolberg (Hannover),
- Dr. Regine Heubaum (Nordhausen),
- Dr. Stefan Hördler (Weimar),
- Prof. Dr. Christiane Kuller (Erfurt),
- Ass. Prof. Dr. Helen Roche (Durham/Großbritannien),
- Prof. Dr. Malte Thießen (Münster).
Wer wurde mit der Studie beauftragt?
Nach Sichtung und Bewertung der Ausschreibungsergebnisse wurde Jens Schley (M.A.) vom wissenschaftlichen Beirat einstimmig ausgewählt und hat in der Folge im August 2019 den Werkvertrag unterschrieben.
Es ist für mich eine große Herausforderung und auch Ehre, hier von einem unabhängigen wissenschaftlichen Standpunkt aus eine Diskussion begleiten zu dürfen, die die Erinnerungskultur Nordhausens über Jahrzehnte prägte und immer noch prägt. Mein Ziel ist es, dieser sehr vielschichtigen und auch kontroversen Diskussion bereits vorhandene und dann auch neue Forschungsergebnisse in Form einer kompakten und nachhaltigen Studie zum Kriegsende in Nordhausen 1945 produktiv gegenüberzustellen, so der Historiker.
Es geht um eine wissenschaftliche Rekonstruktion und Einordnung der Luftangriffe auf Nordhausen am 3. und 4. April 1945, um eine möglichst genaue Analyse der Zahlen zu den Luftkriegstoten und eine Einordnung des politischen und gesellschaftlichen Gedenkens an die Luftangriffe nach 1945 bis in die Gegenwart, ergänzt Schley. Für die Studie wird sich der Wissenschaftler der zugänglichen Archive und Quellen bedienen. Neben den behördlichen Überlieferungen ermöglichen natürlich auch die persönliche Zeitzeugenschaft das ganze Bild. Hierbei wird es aber auch sehr wichtig sein, die angesprochenen sehr unterschiedlichen Personengruppen zu berücksichtigen, die im April 1945 zum Zeitpunkt der Bombenangriffe gleichzeitig an einem Ort waren, so der Historiker abschließend.
Jens Schley ist geborener Weimarer und hat einschlägig zur Geschichte der NS-Zeit geforscht. Er hat inzwischen seine vorgeplanten Forschungen aufgenommen.
Stadtratsbeschluss: Nordhausen April 1945 : Hintergründe, Opfer, Erinnerung
Am 5. Dezember 2018 beschloss der Stadtrat der Stadt Nordhausen die Beauftragung eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes zum Thema Nordhausen April 1945: Hintergründe, Opfer, Erinnerung.
Der
Stadtratsbeschluss zum Forschungsprojekt gibt dabei den Rahmen der Studie vor.
Kernpunkte der Studie sind die Bombenangriffe auf Nordhausen kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges und mit der damit verbundenen weitgehenden Zerstörung der Stadt.
Es ist das bislang größte geschichtswissenschaftliche Forschungsprojekt, welches die Stadt eigenständig in Auftrag gibt.