Meldung

Der Ausbruch infektiöser Krankheiten in der Stadt Nordhausen

Donnerstag, 16. April 2020, 13:26 Uhr
Als Stadt Nordhausen haben wir die angeordneten Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung des Virus SARS – CoV-2 und die aktuelle Situation zum Anlass genommen, die Ausbrüche von Infektionskrankheiten in der Stadt Nordhausen - seit der frühen Neuzeit bis heute - in einer kurze Retrospektive und mit Hilfe des Stadtarchivs aufzuarbeiten.

Bürgermeister Fromann (Foto: Stadtarchiv Nordhausen) Bürgermeister Fromann (Foto: Stadtarchiv Nordhausen)

Letzte Pestepidemie von 1681 bis 1683
Seit dem Bestehen der Stadt Nordhausen kam es immer wieder zum Ausbruch der unterschiedlichsten Seuchen und Krankheiten. In der Erinnerung haben sich die wenigsten dieser immer wieder auftretenden Epidemien erhalten. Die „populärste“ Seuche ist immer noch die Pest, auch sie suchte nachweislich Nordhausen heim. Wobei jede sich zu damaliger Zeit ausbreitende Seuche als Pest oder Pestilenz bezeichnet wurde, dabei handelte es sich nicht immer um den gefürchteten „Schwarzen Tod“, den Erreger Yersinia pestis.

Als 1681 bis 1683 ein letztes Mal die Pest in Nordhausen ausbrach, war die Stadt durch ihren Bürgermeister und Stadtarzt Conrad Fromann und mit Blick auf die seinerzeit zur Verfügung stehenden Mittel, gewappnet. Fromann erließ eine umfassende Infektions- und Pestordnung. Die Verordnung regelte den Umgang mit Infizierten und deren Aufenthalt in der Quarantäne. Daneben enthielt sie Anweisungen für Chirurgen, Apotheker, Pflegende, Kranken- und Leichenträger sowie Totengräber. Dies half, die Seuche einzudämmen. Trotzdem starben laut Stadtarchiv 3.509 Bürger der Stadt Nordhausen.



Ausbruch der Diphterie im Oktober 1938
Als nächstes Beispiel dient der Ausbruch der Diphterie im Oktober 1938. Hierbei kam es zu 156 Erkrankungen und 4 Todesfällen, vornehmlich unter Kindern. Auf Anweisung des staatlichen Gesundheitsamtes und umgesetzt durch den Oberbürgermeister Johannes Meister wurden vom 17. Dezember 1938 bis 6. Januar 1939 sämtliche Schulen der Stadt geschlossen und Veranstaltungen mit Kindern untersagt. Zum Jahresende 1938 normalisierte sich die Lage und die Krankheit flaute ab. Durch staatliche Anordnung war es verboten von einer Epidemie zu sprechen.

Die zuständigen Behörden erließen auch im Vorfeld von Erkrankungen schon Anordnungen um den Ausbruch typischer Infektionskrankheiten zu vermeiden. So gab es 1944 den Erlass zur Bekämpfung von Fliegen, da diese wesentlich zur Verbreitung von Ruhr und Typhus beitrugen. Auch auf die allgemeine Hygiene im Stadtbild wurde geachtet, so durften Abfälle und Abwasser nicht dem Mühlgraben zugeführt werden. Ende 1942 und durch das Jahr 1943 wurde dann schon vorsorglich gegen Diphterie geimpft. Dies geschah auf Anraten des zuständigen Amtsarztes (zu diesem Zeitpunkt war das Gesundheitsamt nicht städtisch). Hierfür besorgte die Stadt das notwendige Material wie Kanülen für Spritzen, Watte und das Material für Plakatanschläge, um die Bevölkerung ausreichend über die bevorstehenden Impfungen zu informieren. Aus der Archivquelle ist noch ersichtlich, das der Oberbürgermeister infizierte Personen, die sich nicht an die Quarantäne hielten, arretieren ließ. Ebenso sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Keuchhusten dokumentiert.

Typhusausbruch von 1945
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist von Mai bis Dezember 1945 ein Typhusausbruch dokumentiert. Es erkrankten allein im Stadtgebiet 495 Menschen. Daneben kam es zu Ausbrüchen der Diphterie und der Ruhr mit zusammen 104 nachweislich infizierten Personen. Durch den gezielten Einsatz des städtischen Gesundheitsamtes und der Nordhäuser Ärzteschaft, konnte der Ausbruch schnell eingedämmt werden. Eine Opferzahl konnte nicht ermittelt werden. Im Stadtgebiet wurde die Impfung von 23.200 Bürger dokumentiert.

Auswirkungen der drei großen Grippeepidemien im 20. Jahrhundert
Die Grippe hat im 20. Jahrhundert drei größere Epidemien verursacht. An der Spanischen Grippe erkrankte von 1918 bis 1920 ein großer Teil der Weltbevölkerung. Nach Schätzungen fielen mindestens 50 Millionen Menschen der Krankheit zum Opfer (Quelle: Nationaler Pandemieplan - Teil II, Robert-Koch-Institut, 4. April 2016). Zwischen 1957 und 1958 sowie 1968 und 1969 grassierten die Asiatische Grippe sowie die Hong-Kong-Grippe. Auch hier starben weltweit viele tausende Menschen.

Spanische Grippe 1918 bis 1920
Worüber sich bisher nichts in den städtischen Unterlagen finden lässt, ist die Spanische Grippe von 1918 bis 1920. Obwohl die bisher größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte, und gerade einmal 100 Jahre her, hat sie die wenigsten „Spuren“ in den Aufzeichnungen hinterlassen. Einzig ein Vergleich der Personenstandsregister „To“ lässt einen Einblick zu. Wobei die Kriegsjahre 1914 bis 1918 sich schlecht zum Vergleich eignen.
JahrVerstorbene (Personenstandsregister To)
1912521
1913536
1918861
1919602
1920586
1921517
1922512


Ob in Nordhausen überhaupt etwas gegen die Spanische Grippe unternommen wurde ist aus den Akten des Stadtarchivs nicht feststellbar.

Grippeepidemien der 1950er und 1960er Jahre
Zu den Grippeepidemien gibt es ebenfalls kaum bis keine Informationen in den Unterlagen des Nordhäuser Stadtarchivs. Lediglich in einem Monatsbericht aus dem Jahr 1957 werden zwei Erkrankungen erwähnt. Ein Anstieg der Todesfälle für die betreffenden Jahre lässt sich anhand der Personenstandseinträge To auch nicht beobachten. So weisen die Grippejahre 1957/58 keine höheren Zahlen an Verstorbenen bei ca. 40.000 Einwohnern aus.
JahrVerstorbene (Personenstandsregister To)
1957497
1958504
[…] […]
1967518
1968564
1969570
1970588
1971534
1972583



Aus den Sterbeeinträgen von 1968 bis 1970 lässt sich eine Erhöhung in den Jahren 1969 und 1970, bei einer Einwohnerzahl von 42.000 Einwohnern, ablesen. Ob sich dieser Wert aufgrund einer Grippeepidemie erklären lässt, ist zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativ, da auch 1972 ein Anstieg zum Vorjahr abzulesen ist.
In den Zeitungsbeständen der Zeitung „Das Volk“ vom Dezember 1969 bis Januar 1970 beruhen die Berichterstattungen der DDR im Großen und Ganzen auf den Erfolgen bei der „Bekämpfung“ des Winters, der in diesen Jahren ungewöhnlich streng war. Die Grippe liegt - so die Presserückschau - ihren Ausbreitungsschwerpunkt auf das kapitalistische Ausland.

Quellen:
  • Infektions- und Pestordnung 12.3./ II A 369
  • Diphterie Erkrankung 1.4./ X 207
  • Typhusausbruch 1.5./ S 191
  • Zeitung „Das Volk“ vom Dezember 1969 bis Januar 1970
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